Neue Technologie kann einschüchternd sein.
Ich frage mich manchmal, ob Tech-Unternehmen wirklich glauben, dass Erzeuger:innen alles stehen und liegen lassen, nur um mit neuer Software herumzuspielen. Oder vielleicht einen Doktortitel in digitaler Landwirtschaft erwerben, um die Systeme bedienen zu können?
Wir Verbraucher:innen haben die Qual der Wahl und sehen die Benutzerfreundlichkeit unserer Apps meist als selbstverständlich an, egal ob soziale Medien, Tools für Produktivität, Listen, Kalender, etc. Fast als wären wir der Mittelpunkt des Universums.
In der Landwirtschaft sieht die Sache komplett anders aus. Als ich mich zum ersten Mal Lösungen für die digitale Landwirtschaft aus der Nähe gesehen habe, war ich entsetzt, wie altmodisch Benutzererfahrung und Design waren. Verwirrende Arbeitsabläufe gaben einem das Gefühl, jemanden zu brauchen, der sich mit der Technik auskennt und sie einem erklärt, um den Mut aufbringen zu können, (gefühlt) vollständig neue Wege zu gehen.
Ich kann es Erzeuger:innen nicht verdenken, wenn sie es gar nicht erst versuchen. Schließlich haben sie sich um einen Betrieb zu kümmern und um tausende andere Dinge Gedanken zu machen.
Erstklassige Benutzererfahrung
„Erzeuger:innen interessieren sich nicht für Gedöns wie Design. Sie wollen etwas das funktioniert, günstig ist und tut, was es soll.“
Genau das würden Menschen aus der Branche sagen.
Ich freue mich, dass ich ein Team gefunden habe, das diese Ansicht ebenfalls für falsch hält.
Bei Farmable ist das Benutzerdesign für die Erzeuger:innen der zentrale Aspekt für den Aufbau unserer Lösungen. Ein hilfreicher Punkt ist, dass unser Gründer, Lars Petter Blikom, selbst Erzeuger ist und alle Funktionen und Updates in seinem Betrieb testet.
Außerdem erhalten wir sehr viel Feedback von den Erzeuger:innen, die bei uns registriert sind und unsere Plattform nutzen. Im April 2019 haben wir mit Farmable 1.0 unsere erste mobile App für Erzeuger:innen von Obst und Sonderkulturen auf den Markt gebracht. Seitdem haben wir mehr als 550 Einzelfeedbacks erhalten, aus denen Funktionen in der App geworden sind. Einige wurden binnen eines Monats entwickelt. Der Rausch der Tech-Branche!
Was hat all das nun mit der Einführung der Präzisionslandwirtschaft zu tun?
Zuerst möchten wir, dass ihr versteht, woher die Leute, mit denen ihr arbeitet, kommen. Es sind Menschen, denen eure Interessen und Herausforderungen wichtig sind. Alles beginnt mit Vertrauen.
Darauf folgen einige praktische Tipps.
Klein anfangen vs. hoch hinaus
Egal, ob dein Betrieb klein, mittelgroß oder groß ist, die Herausforderung bei der Einführung neuer Technologien ist immer die gleiche: Wo soll ich anfangen?
Jeder hat so seine Vorlieben, Dinge anzugehen, was total okay ist, solange damit der Anfang gemacht wird.
Ich persönlich denke gerne in Strukturen. Daher habe ich eine Struktur für die Einführung von Technologie im Allgemeinen und Präzisionslandwirtschafts-Lösungen im Besonderen entwickelt, die sich für jede Betriebsgröße eignet. Ich hoffe, dass dir diese Struktur dabei hilft, in dieser vielschichtigen und sich ständig weiterentwickelnden Welt den Überblick zu behalten.
CATS
Das steht hier nicht für echte Katzen, sondern für eine hilfreiche Abkürzung.
Die CATS-Struktur steht für Check – Assess – Try – Stay.
Dabei steht jeder Punkt für einen eigenen Schritt.
CHECK – oder ÜBERPRÜFEN
Du hast vielleicht schon von Hintergrundprüfungen gehört, was ich hier meine, funktioniert so ähnlich. Nimm dir jede Woche ein wenig Zeit, vielleicht anfangs 30 Minuten, um deine Möglichkeiten zu prüfen, wenn du mit dem Präzisionsanbau beginnen willst.
Recherchiere die verschiedenen Möglichkeiten, die dir für den Präzisionsanbau zur Verfügung stehen. Dazu gehört auch die Überprüfung der verschiedenen Soft- und Hardwaremöglichkeiten und ihrer jeweiligen Funktionen und Möglichkeiten. Mir ist schon klar, dass du vermutlich eher zu Hardware neigst (Ich meine, mal ehrlich! Das Brummen eines Motors ist viel befriedigender als das Surren eines Computers. Ich bin da voll bei dir.), aber gib der kleinen Nerd-Software doch eine Chance. Langfristig werden wir dich überraschen.
Du kannst deine Recherche anstellen, indem du
- dich mit anderen Erzeuger:innen austauschst, die bereits Präzisionsanbau betreiben,
- dir Informationen und Online-Bewertungen über einzelnen Lösungen durchliest,
- an kostenlosen Webinaren teilnimmst, um dich weiterzubilden, aber auch, um das Unternehmen und seine Mitarbeiter kennenzulernen und
- Konferenzen und Events für Erzeuger:innen besuchst.
Das große Ziel dieser Phase ist: sie kennenzulernen (all die verschiedenen Technologien).
ASSESS – oder BEWERTEN
Bewerte deinen Betrieb. Sobald du weißt, welche verschiedenen Möglichkeiten für Präzisionsanbau es gibt, ist der nächste Schritt die Einschätzung deines eigenen Betriebs.
Dabei solltest du unter anderem folgende Faktoren berücksichtigen:
- deine aktuellen Anbauverfahren,
- die Größe und Anordnung deines Betriebs,
- und deine Produkte.
Das wird dir dabei helfen, herauszufinden, welche Möglichkeiten der digitalen Landwirtschaft sich am besten für deinen Betrieb eignen.
Das Ergebnis dieser Phase ist – dass du dich selbst kennenlernst (und darüber nachdenkst, was eine Einführung für deinen Betrieb bedeuten würde).
TRY – oder AUSPROBIEREN
Das ist ein wichtiger Schritt. Für die Entscheidung, ob du eine Technologie in deinem Betrieb einführst, der wichtigste – und auch dafür, wie du das anstellst, wenn die Entscheidung einmal gefallen ist.
Jeder Betrieb ist einzigartig, Software allerdings ziemlich standardisiert. Zumindest glaubt man das. Moderne Software, insbesondere Software mit einem nutzerzentrierten Design, ist überraschend schnell einzurichten und leicht zu bedienen. Wähle die Software, die sich am besten für deinen Betrieb eignet und dir außerdem erlaubt, gemeinsam mit anderen Betrieben zu lernen. Ist der Aufbau einer Gemeinschaft nicht die menschlichste Eigenschaft überhaupt?
Klein anfangen
Bei der Einführung von Präzisionsanbaumethoden ist es immer klug, erst einmal klein anzufangen. Dazu gehört z. B. die Einführung eines einzelnen Tools, etwa einer Agrarsoftware, einer Wetterstation oder eines Pflanzensensors. So kannst du dich mit der Technologie vertraut machen und lernen, welche Vorteile sie dir für deinen Betrieb bringen kann. In diesem Artikel findest du noch weitere Informationen zu Technologien für den Präzisionsanbau für Obst- und Gemüse-Erzeuger:innen.
Erhalte Schulung und Unterstützung
Wir bei Farmable sagen oft: Betriebsführung ist nicht leicht – Technologie sollte es sein. Diesem Leitsatz folgen wir, indem wir intuitive Software entwickeln, bei der du uns nicht brauchst, um loszulegen. Du kannst dir die Software herunterladen und alles alleine machen – in deinem eigenen Tempo und auf deine eigene Weise.
Wir verstehen aber auch, dass die Einführung der digitalen Landwirtschaft für Erzeuger eine beängstigende Aufgabe sein kann, besonders dann, wenn man nicht mit Technologie vertraut ist. Für einen leichteren Übergang bieten Unternehmen oft Schulungen und Unterstützung durch Softwareentwickler:innen an – so wie wir auch. Diese Schulung und Unterstützung kann vor Ort, in Webinaren oder Video-Tutorials erfolgen. In unserer Videothek findest du viele hilfreiche Videos dazu, wie du unsere Farm-Managementsoftware verwendest. Wenn dir etwas fehlt oder du Ideen hast, die du gerne mit uns teilen möchtest, schick uns gerne eine E-Mail an hello@farmable.tech.
Aber nun zurück zur Struktur.
Monitor and evaluate – oder Überwachen und auswerten
Nach der Einführung des Präzisionsanbaus in deinem Betrieb ist es wichtig, die Ergebnisse zu überwachen und auszuwerten. Das kann z. B. durch die Nachverfolgung der Veränderungen von Erträgen, Investitionskosten und Umwelteinflüssen geschehen. Dies hilft dir dabei, die Vorteile des digitaler Landwirtschaft zu verstehen und ggf. Anpassungen vorzunehmen.
STAY – oder DABEI BLEIBEN
Wenn ich „dabei bleiben“ sage, meine ich eigentlich zwei Dinge:
- bleibe für ein paar Anbauzyklen bei deiner Technologie, um die Auswirkungen zu sehen und
- halte dich auf dem Laufenden.
Dranbleiben
Im Lauf der Jahre haben wir gelernt, dass die Einführung von Technologie, wie alles was neu ist, eine gewisse Lernkurve mit sich bringt. Angesichts der Tatsache, dass die Landwirtschaft ein langsames Geschäft ist, erstreckt sich diese Lernkurve über mehrere Anbauzyklen. Für Erzeuger:innen kann das frustrierend sein, weil wir es gewohnt sind, bei unserer Technologie sofort Resultate zu sehen. Das ist irgendwo unsere eigene Schuld. Wir als Branche sind sehr schnelllebig und haben diesen Geschwindigkeits-Hype geschaffen.
Trifft allerdings Technologie auf Landwirtschaft, sehen wir eine wunderbare Partnerschaft, in der wir voneinander lernen können. Und im Lauf der Jahre haben wir die wichtigste Fähigkeit in der Landwirtschaft gelernt – Geduld.
Normalerweise braucht es ca. zwei Anbauzyklen, damit du den Mehrwert erkennen kannst, den etwas wie eine Agrarsoftware deinem Betrieb bieten kann. Also keine Sorge, bleib einfach eine Weile am Ball. Verwende die Software regelmäßig, nutze sie auch außerhalb der Saison und aktualisiere sie mit Informationen, von denen du der Meinung bist, dass sie wichtig genug sind, um in deinem Betrieb nachverfolgt zu werden. Langfristig wirst du dir selbst dankbar dafür sein.
Halte dich auf dem Laufenden
Präzisionslandwirtschaft ist ein Bereich, der sich ständig verändert und du solltest deine Soft- und Hardware stets aktuell halten, um von neuen Technologien und Funktionen zu profitieren.
Das erfordert natürlich Zeit und Arbeit, kann dir aber dabei helfen, deine Produktivität und Rentabilität zu steigern.
Und jetzt bist du am Zug. Bist du bereit, diese Struktur anzuwenden und etwas zu ändern?