Es bleiben nur zwei Jahre Zeit
Du hast wahrscheinlich schon von den neuen Verordnungen der EU-Kommission für die Landwirtschaft gehört. Dir ist jedoch vielleicht nicht klar, dass einige der rechtsverbindlichen Entscheidungen bereits getroffen wurden und sich früher auf die landwirtschaftliche Betriebsführung auswirken werden, als du denkst. Viele der Vorschriften treten in den nächsten 2 Anbausaisons in Kraft. Wenn du auf einem landwirtschaftlichen Betrieb arbeitest, weißt du aus eigener Erfahrung, dass mindestens 2 Saisons für die Umstellung von Prozessen notwendig sind: In der ersten Saison wird eine Änderung getestet und in der zweiten Saison wird überprüft, ob sie funktioniert, bevor sie für das gesamte Team umgesetzt wird. Änderungen sind in der Landwirtschaft harte Arbeit. Deshalb ist es an der Zeit, sich jetzt über neue Verordnungen zu informieren.
Wer einen landwirtschaftlichen Betrieb in einem Mitgliedsland der EU besitzt, verwaltet oder berät, muss bereits bestehende Gesetze kennen und wissen, was in den nächsten zwei Anbausaisons rechtskräftig wird.
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Berichterstattung zur Verwendung von Chemikalien:
Erzeugerbetriebe sind weiterhin verpflichtet, Produktanwendungen zu dokumentieren. Festzuhalten sind Produktnamen, Zeitpunkt und Dosierung der Anwendung sowie die behandelte Fläche und Kultur. Spritzberichte waren in der Vergangenheit für die Verwendung im eigenen Betrieb obligatorisch. In Zukunft müssen diese Berichte auch für die EU zugänglich sein. Außerdem wurden die Anforderungen an Spritzberichte verschärft.
Folgendes ist ab 1. Januar 2026 rechtsverbindlich:
- Anwendungen müssen innerhalb von 30 Tagen dokumentiert werden.
- Anwendungen müssen auf eine bestimmte Parzelle zurückverfolgbar sein.
- Aufzeichnungen müssen den zuständigen Behörden zur Verfügung stehen und letztendlich auch der EU zugänglich sein.
- Aufzeichnungen müssen innerhalb von 30 Tagen nach der letzten Anwendung in elektronischem Format gespeichert oder in ein solches umgewandelt werden.
- Soweit möglich sind EPPO-Standardcodes für Pflanzen und Schädlinge für die Aufzeichnungen zu verwenden.
- Soweit möglich sind BBCH-Standardcodes für Wachstumsstadien für die Aufzeichnungen zu verwenden.
GAP: Direkte Förderung für Erzeugerbetriebe
In der EU arbeiten 22 Millionen Menschen in 10 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben. Das durchschnittliche Einkommen von Erzeuger*innen liegt noch immer 40 % unter dem außerhalb des Agrarsektors erwirtschafteten Einkommen. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist ein seit Langem bestehendes Programm zur finanziellen Unterstützung von landwirtschaftlichen Betrieben und dient zum Ausgleich der vielen Risiken, denen Erzeuger:innen in der Anbauphase ausgesetzt sind.
Die GAP-Änderungen stehen fest. Was wissen wir also genau?
- 25 % der Direktzahlungen werden für umweltfreundliche Praktiken wie Präzisionslandwirtschaft, Carbon Farming, ökologische Landwirtschaft und Verbesserungen beim Tierwohl reserviert.
- Die neue GAP schreibt ein Klima-Tracking vor, das die Kommission ab 2026 einführen will. Details werden demnächst bekannt gegeben (wir informieren dich in unserem digitalen Newsletter, sobald weitere Details veröffentlicht werden). Wir erwarten weitere Anforderungen an den Wasser- und Stromverbrauch sowie Emissionen.
- Die Dokumentation transparenter und vorhersehbarer Arbeitsbedingungen erhält entscheidender Bedeutung: landwirtschaftliche Arbeitnehmer*innen müssen unabhängig von den geleisteten Arbeitsstunden schriftlich über die Arbeitsbedingungen informiert werden. Dies beinhaltet den Ort und die Art der Arbeit, den Beginn und gegebenenfalls das Ende des Arbeitsverhältnisses sowie Informationen zu Probezeit, bezahltem Urlaub, Kündigungsfristen, Entlohnung, Arbeitszeitregelungen/Arbeitszeiten und Sozialversicherung.
- Arbeitsschutz im landwirtschaftlichen Betrieb: Arbeitgeber:innen müssen die Sicherheit und den Schutz von landwirtschaftlichen Arbeitskräften in Bezug auf landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, Schutzkleidung und -ausrüstung sowie Gefahrstoffe gewährleisten.
Integrierter Pflanzenschutz (Integrated Pest Management, IPM)
Wir erwarten, dass die EU-Kommission bis Ende 2023 bestätigt, was sie bereits in einer früheren Mitteilung empfohlen hat: Der Integrierte Pflanzenschutz soll Vorschrift werden. Zunächst sollen alle alternativen Methoden der Schädlingsbekämpfung in Betracht gezogen werden, bevor als letztes Mittel chemische Pestizide eingesetzt werden dürfen. Kurz: Der Erzeugerbetrieb muss dokumentieren, wie er IPM als umweltfreundlichen Ansatz zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten einsetzt. Außerdem sollen Erzeugerbetrieb nicht nur die Umsetzung einer IPM-Strategie prüfen, sondern die Einhaltung von Compliance-Vorgaben bei allen Spritzanwendungen durch zugelassene Agrarwissenschaftler*innen kontrollieren lassen.
Was steckt dahinter?
Was ist der Sinn all der neuen Regeln und Verordnungen? Die EU will der erste klimaneutrale Kontinent werden. Das umfasst ein Lebensmittelsystem, das fair, gesund und umweltfreundlich ist. Dazu werden in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ die wichtigsten Bereiche und Ziele festgelegt, an denen die EU von 2021 bis 2027 arbeitet. So soll unter anderem:
- bis 2030 auf 25 % der landwirtschaftlichen Flächen der EU ökologischer Landbau betrieben werden
- bis 2030 der Einsatz von Pestiziden um 50 % reduziert werden
- bis 2030 der Einsatz von Düngemitteln um 20 % reduziert werden
- der Nährstoffverlust um mindestens 50 % reduziert werden
Es mag sich zwar so anfühlen, als wären diese Ziele weit weg vom Alltag auf landwirtschaftlichen Betrieben, aber sie werden voraussichtlich in den kommenden Monaten rechtsverbindlich. Jedes EU-Mitgliedsland muss innerhalb klar definierter Parameter seine eigenen Reduktionsziele sowie seine eigenen Strategien festlegen, damit das EU-weite Ziel gemeinsam erreicht wird.
Vorteile für Erzeuger:innen
Abgesehen davon, dass die neuen Verordnungen eingehalten werden müssen, um GAP-Gelder in Anspruch nehmen zu können, beinhalten die Änderungen einige sinnvolle Vorteile, die durch die „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie erzwungen werden.
- Langfristig werden sich diese Änderungen auf landwirtschaftliche Betriebe in der ganzen Welt auswirken und die Lebensmittelversorgungskette wird nach vertrauenswürdigen Partnern suchen, die vorangehen. Wenn du zeigst, dass dein Betrieb in der Lage ist, sich an neue Prozesse anzupassen, kannst du dich frühzeitig vom Wettbewerb abheben und deinen Marktzugang verbessern.
- Detaillierte, digitale Aufzeichnungen des Verbrauchs an Chemikalien ermöglichen eine Datenanalyse, auf deren Grundlage fundiertere Entscheidungen getroffen, Trends und Verbesserungsmöglichkeiten erkannt und Kosten eingespart werden können.
- Durch die Einführung von IPM kannst du die Kosten für Kauf und Anwendung von Pestiziden senken und gleichzeitig zum Schutz der Umwelt beitragen.
Hol das Beste aus deiner nächsten Anbausaison heraus:
Fang klein an, aber fang an
Wandel ist extrem schwer, vor allem, wenn die bisherigen Methoden im Prinzip funktionieren. Aber wenn du mit kleinen Veränderungen beginnst, wachsen diese mit der Zeit immer weiter.
- Unabhängig davon, ob die Daten deines Erzeugerbetriebs bereits digital vorliegen oder nicht, solltest du sicherstellen, dass sie gut organisiert sind.
- Überlege, ob deine Arbeitsabläufe im Betrieb reaktiv oder proaktiv sind. Du führst erst aus und dokumentierst später? Durch die Umstellung auf proaktive Arbeitsprozesse, bei denen die Dokumentation schon während der Planungsphase erfolgt, reduziert sich später der Verwaltungsaufwand. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass die Planung im gesamten Team klar kommuniziert wird.
- Wenn du keine spezielle Software hast, solltest du dir die Zeit nehmen, einige zu testen. So findest du heraus, was in deinem Erzeugerbetrieb leicht zu implementieren ist. Diese Recherche ist zwar zeitintensiv, macht sich jedoch schnell bezahlt, wenn der zukünftige Verwaltungsaufwand durch zentrale, zugängliche Daten für die automatisierte Berichterstattung sinkt.
- Beziehe deine Berater:innen oder deine Genossenschaft mit ein. Wie einfach können sie auf Spritzberichte zugreifen, wenn sie von den zuständigen Behörden kontaktiert werden? Besprecht, welches System den Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten minimiert, wenn Informationen zu gegebener Zeit geteilt werden sollen.
Auch wenn du einige deiner alten Arbeitsweisen beibehältst, solltest du loslegen. Teste ein digitales Tool in kleinem Umfang. Probiere es für eine Kultur, eine Fläche oder ein Team aus. Wenn du Vertrauen in die gewählte Lösung hast, kannst du sie auf den gesamten Betrieb ausweiten und die alten Arbeitsweisen aufgeben.
Empfohlene weitere Artikel
Möchtest du mehr über die in diesem Artikel besprochenen gesetzlichen Änderungen erfahren? Bleibe über die folgenden Politikbereiche der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ der EU auf dem Laufenden.
Der Entwurf legt strengere Anforderungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln fest und führt neue Durchsetzungsmechanismen für den integrierten Pflanzenschutz ein, darunter die obligatorische Verwendung von elektronischen Aufzeichnungen. Der Verkauf von Pflanzenschutzmitteln wird überwacht. Die Verordnung wird voraussichtlich 2023 verabschiedet.
Die neue GAP soll kleinere Erzeugerbetriebe gezielter unterstützen und den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, Maßnahmen an die Bedingungen vor Ort anzupassen. Sie umfasst Ziele und Maßnahmen, um die Ziele der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ zu erreichen. Sie führt strengere Bedingungen für bestimmte GAP-Direktzahlungen ein. Sie ist 2023 in Kraft getreten und gilt bis 2027.
In der Mitteilung vom November 2022 werden die Ziele der EU zur Reduzierung des Düngemitteleinsatzes und des Nährstoffverlusts bestätigt. Die Strategie legt fest, mit welchen Maßnahmen die EU diese Ziele erreichen will. Dazu gehört auch die Verpflichtung, dass der Aktionsplan für integriertes Nährstoffmanagement Anfang 2023 verabschiedet werden sollte.
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