Farm Management Software (Software für die Betriebsführung auf Deutsch) ist ein Begriff, den es schon gab, bevor ich 2014 in den Obstbau eingestiegen bin. Neu im Obstbau, habe ich im Internet nach Werkzeugen gesucht, welche mir bei der Verwaltung und Dokumentation in meinem Betrieb helfen könnten. So bin ich es auch die vorherigen 10 Jahre in anderen Branchen angegangen. Allerdings fand ich erstaunlich wenige Optionen. Nun, 8 Jahre später, gibt es bestimmt mehr Angebote, aber sie sind so anders und vielfältig, dass ich mich erst wieder erinnern muss, was „Farm Management“ ursprünglich überhaupt bedeuten sollte.
Farm Management wird mit Internet der Dinge verwechselt
2014 war der frühe Höhepunkt des Hypes rund um Datenplattformen und das Internet der Dinge (IoT). Natürlich ging es dann bei der „Farm Management Software“ vor allem darum, alle Datenströme mit einer zentralen Plattform zu verknüpfen. Traktoren haben zum Beispiel jede Menge Sensoren, das gleiche bei Mähdreschern und Sprühgeräten. Normalerweise sind Daten dieser Maschinen nutzlos, wenn sie in isolierten Silos sitzen. Wenn man sie jedoch zusammenführt, können Wunder passieren. Ich kenne diese Geschichte, weil ich sie selbst in einer anderen Branche durchlebt habe. Ich weiß aber auch, dass wir diese Wunder damals nicht erreicht haben. Nach 8 Jahren Erfahrung, gesundem Menschenverstand und mit der Skepsis eines Erzeugers, kann ich heute mit Sicherheit sagen: Es war alles nur ein Traum.
In den letzten Jahren lag der Fokus einer Farm Management Software auf beeindruckenden Visualisierungen mit Drohnen oder Satellitenbildern. Ich gebe zu, dass die grünen/gelben/roten Wärmebildkarten einen gewissen visuellen Reiz haben. Sie sehen irgendwie künstlerisch aus. Allerdings zeigt dieses Thema die Lücke zwischen Unternehmen in der Agrarindustrie und uns Erzeugern. Unternehmer mögen Drohnen- und Satellitendaten, weil sie einfach zu bekommen sind und die bunten Bilder gut zum Erzählen von Geschichten verwendet werden können. Erzeuger zucken jedoch kaum mit der Wimper, denn obwohl diese Daten ihre Praktiken minimal optimieren können, sprechen sie nicht die für sie wichtigsten Themen an.
Farm Management im Vorstand
Daten werden mit Stift und Papier erstellt
Es ist auch wichtig sich zu überlegen, welche Systeme wir zu ersetzen versuchen. Welche Systeme verwenden Erzeuger heute für ihre Betriebsführung? Lustigerweise bring uns die Antwort auf diese Frage näher an die richtige Definition von Farm Management Software heran.
Einige Erzeuger arbeiten nach wie vor mit Stift und Papier. Andere sind zu Excel übergegangen. Und dann gab es noch den Trend individueller Software-Entwicklung in den 1990er und 2000er Jahren – das Zeitalter der Microsoft Access-Datenbanken. Jede Genossenschaft entwickelte ihre eigene Datenbank und lud alle Mitglieder ein, beziehungsweise forderte sie auf, diese zu nutzen. Damals war das sinnvoll, doch diese Datenbanken sind nicht flexibel genug, um sich zu ändern und anzupassen – daher kann man zwar neue Funktionen hinzufügen, aber niemals etwas entfernen. Heute, 20-25 Jahre später, sehen solche Systeme wie eine Lawine von Schaltflächen und Eingabefeldern mit unflexiblen numerischen Ausgaben aus. Diese Daten auf Papier, in Excel und in altmodischen Datenbanken sind aber genau die Daten, welche für Erzeuger wichtig sind. Hier muss also die Definition von Farm Management Software ansetzen.
Farm Management vom Erzeuger definiert
Unter Farm Management versteht man die Verwaltung des täglichen Betriebsablaufs und die effiziente Erfassung und Speicherung aller wichtigen Geschäftsdaten. In diesem Zusammenhang umfassen Betriebsdaten nur ein kleines Datenset, welches Erzeuger brauchen, um ihren Betrieb ordnungsgemäß zu führen.
Diese Daten sind, geordnet nach Wichtigkeit:
- Spritz- und Düngemittelprotokolle
- Zeiterfassungsbögen für Saisonsmitarbeiter
- Ernte- und Verkaufsprotokolle
- System der Arbeitsübertragung (in anderen Branchen auch Projektverwaltung genannt)
- Dokumentierter Austausch mit Beratern
Das sind alles keine komplizierten Probleme, die künstliche Intelligenz oder Drohnenbilder benötigen, um gelöst zu werden. Doch ausgefallene Technologie ist gar nicht der komplizierte Teil von Präzisionslandwirtschaft. Die Herausforderung ist, tägliche Aufgaben in der Produktion mit ausreichend Struktur und Sorgfalt durchzuführen, sodass diese fünf Punkte konsistent und in demselben Datenformat erfasst werden, Tag für Tag.
Die Belohnung richtiger Betriebsführung ist die Präzisionslandwirtschaft. Und dann können wir beginnen, über ausgefallene Technologien zu reden. Bis dahin sind alle Träume und Versprechungen über Vorteile der Präzisionslandwirtschaft nicht komplett zutreffend.
Überdenke, ob du wirklich glauben willst, dass die kürzlich angepriesene „Partnerschaft“ zwischen Bayer und Microsoft oder andere bedeutungsvolle Versprechen von Unternehmen die Probleme von Erzeugern lösen werden. Es gibt heutzutage ausgezeichnete Lösungen. Der Weg in die Zukunft, auch wenn er mühsam ist, besteht darin, dass Erzeuger selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen und ihre betrieblichen Arbeitsprozesse so gestalten, dass sie leicht digital integriert werden können.